18.07. 21 Königsbronn

08.08.21 Gussenstadt und Gerstetten

15.08.21 Fleinheim 9.30 Uhr, Oggenhausen 10.30 Uhr

22.08.21 Dischingen, 9.30 Uhr, Nattheim, 10.30 Uhr

10.10.21 Ochsenberg, 8.45 Uhr, Zang, 10 Uhr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Versöhnung

Wieder ein Morgen

ohne Gespenster

im Tau funkelt der Regenbogen

als Zeichen der Versöhnung

 

Du darfst dich freuen

über den vollkommenen Bau der Rose

darfst dich im grünen Labyrinth

verlieren und wiederfinden

in klarerer Gestalt

 

Du darfst ein Mensch sein

arglos

 

Der Morgentraum erzählt dir

Märchen du darfst

die Dinge neu ordnen

Farben verteilen

und wieder schön sagen

 

an diesem Morgen

du Schöpfer und Geschöpf

 

Rose Ausländer

 

Die Brüder Josefs fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte. Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

 

1.Mose 50, 15-21

 

Predigt Literaturgottesdienste 2021

Versöhnung / 1. Mose 50, 15-21 von Cornelia Elke Schray

 

 

 

Liebe Gemeinde,

Vergeben, Verzeihen, Versöhnen. Zentrale Worte unseres Glaubens, des Miteinanders in unserer Gesellschaft. Es geht nicht ohne. Unter Versöhnung, so ist nachzulesen, versteht man „Eine Wendung zwischen Personen, die sich zuvor verletzten, sich feindlich begegneten hin zu einer Haltung des Vertrauens und der Bereitschaft zueinander zu stehen und miteinander die Zukunft zu gestalten.

Die Geschichte von Josef, wie sie uns in 1. Mose geschildert wird, ist eine der bekanntesten der Bibel.  Sie ist eine Familiengeschichte und wir alle wurden in Familien, in Zusammenhänge hineingeboren, mit allen Risiken und Nebenwirkungen, mit allen Chancen.  Als Erwachsene arbeiten wir uns oft daran ab und auf, was schief ging. Immer unter dem Aspekt, dass wir den eigenen Nachkommen besser nicht antun, was uns angetan wurde. Dem biblischen Josef und seinen Brüdern, kann man sich schwer entziehen.

In der Familie Jakobs ist, so ziemlich alles passiert, was an Schlimmem geschehen kann. Zwölf Brüder, der zweitjüngste Josef, der Liebling des Vaters, ein Sohn des Alters. Es kommt vor, dass Eltern ein Kind mehr lieben, die Frage ist nur, haben  sie die Weisheit, damit umzugehen? Aus Geschwistern dürfen nicht Kain und Abel werden. Das endet in der Sintflut. Im Tau unserer Morgen will doch ein Regenbogen funkeln, sehnen wir uns nach dem großen Zeichen der Versöhnung, bitten wir, dass Noahs Taube uns den Ölzweig bringt und das Leid ein Ende hat. Vom Grund unserer Herzen an, möchten wir mit Gott und der Welt im Reinen sein, unsere Geschwister um uns haben. Ohne Neid, ohne Hass, ohne Zwietracht.

Josef träumt, die Ähren der Brüder verneigen sich vor seiner. Josef bekommt ein buntes langes Festkleid, zur Arbeit in einem Hirtenvolk gänzlich ungeeignet. Komm geh feiern, du hast was Besseres verdient, lass deine Brüder arbeiten. Jakob, das ist nicht weise. So heizen Eltern Konflikte an, selbst wenn man allen glauben kann, dass sie auf dem Sterbebett ehrlich bitten, die Kinder mögen sich endlich wieder vertragen. Wer Wind sät…Das Unheil nimmt seinen Lauf. Aus Neid und Hass werden Taten. Josef sucht seine Brüder, es wird von Auslegern die Hilfe von Engeln vermutet, und ja, da ist noch Hoffnung, da könnte die Geschichte eine bessere Wendung nehmen… Und nein, dem Lieblingskind Josef wird in einer demütigenden Weise der Rock ausgezogen. Wie wir das später über Jesus lesen. Josef wird in eine Grube geworfen. Jesus gekreuzigt. Dank eines Bruders ist Josef nicht tot, sondern wird für den Preis eines 17jährigen Sklaven verkauft. Das große Gespenst eines Mordes hat noch keinen Auftritt.  Hätten die abgestimmt, wer weiß…

Josef kommt nach Ägypten, zu Potifar. Es geschieht das Wunder, dass ihm, der Gott liebt, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen und es gibt eine Antwort auf die Frage, wer gegen mich sein kann, wenn Gott für mich ist. Der Pharao nicht. Josef wird Hausverwalter. Was für eine Ehre.

In 1. Mose 39, 3 lesen wir den spannenden Satz: „Und sein Herr sah, dass der HERR mit ihm war, denn alles, was er tat, das ließ der HERR, seiner Hand glücken.

Und in Vers 5: „Der Herr segnete des Ägypters Haus um Josefs Willen.“ Josef ausdrücklich wohl, wie wir, Gott sei Dank alle, ein Lieblingskind Gottes. Darf er wieder, nach all dem demütigenden Leid sich freuen über sein Leben, im Gedicht Rose Ausländers „den vollkommenen Bau der Rose. Sich wiederfinden in klarerer Gestalt?“ Josef, wer bist du? Josef atme mal hier kurz durch:

 „Du darfst Mensch sein. Arglos.“ Schlaf ein mit der noch unschuldigen Naivität eines Lieblingskindes, ruh dich mal aus im Vertrauen auf den Gott deiner Väter und Mütter, dann ist dein Morgen vielleicht ohne Gespenster. Versöhnter. Heiler. Befreiter.

Es wird weitergeträumt, die Träume hier sind keine Schäume, sondern das Eingreifen Gottes, Prophezeihungen, denn es kommt, wie Josef träumt. Gott hat ihn beschenkt mit Gaben des Verstandes, der Fantasie und des Glaubens“. So in einer Kinderbibel. Vom Mobbingopfer der Brüder zur rechten Hand des Pharao.

Die „Heilsgeschichte“ zwischen Schuld und Versöhnung geht weiter. Die Frau des Pharaos findet ihn begehrenswert und Joseph landet, verleumdet im Kerker. Doch er ist nicht vergessen: Jetzt träumt der Pharao und erinnert sich an Josef, der ihm sagt: „Nur Gott kennt die Geheimnisse der Träume.“

„Spulen“ wir an der Stelle den Film, die Geschichte von Josef und seinen Brüdern etwas schneller vor.

Es kommt eine Hungernot, das Land ist dank Josef, über den sie sagen, dass in ihm der Geist Gottes wohnt, bestens aufgestellt. Seine hungernde Verwandtschaft taucht auf und erkennt ihn nicht. Die erste Chance zur Rache. Josef ergreift sie nicht. Die Hungernot wird größer, Josef lässt mit dem  berühmten Becher im Sack des jüngsten Bruders Benjamin die Brüder auffliegen. Die zweite Chance zur Rache. Josef ergreift sie nicht. Und schließlich bringt er die Brüder dazu, ihre Geschichte zu erzählen. Was für ein Augenblick! Die Geschichte der Brüder ist auch Josefs Geschichte. Die Geschichten unserer Familien sind unsere Geschichten.

 Josef. Man sieht sich im Leben immer zweimal. Da steht er und sieht sie an.  Ein halbes Leben ist vergangen, doch die Wege kreuzen sich, am Scheitelpunkt dieser existentiellen Frage nach Vergebung und Versöhnung. Die Brüder haben etwas dazugelernt. Sie leiden unter ihrer alten Schuld. Noch immer, nach Jahrzehnten. Josef verliert die Beherrschung und gewinnt seine Brüder, seine Familie zurück. Ich bin es Joseph. Ich bin euer Bruder. „Lebt Vater noch?“ Bitte noch einmal ein Morgen ohne Gespenster, bitte noch einmal diesen Regenbogen, Gottes Geschenk, Offenbarung, Trost und Hilfe des Himmels.  Bitte noch einmal die Chance auf Versöhnung, einfach leben, als könnte man auf Knopfdruck Familien, ja Völker versöhnen, als würden überall rote Rosen wachsen als Zeichen der Liebe. Bitte noch einmal etwas Verlorenes wiederfinden, in die Schöpfung vor dem Sündenfall eintauchen. „Vollkommen“ sagen.

Zurückkriechen in den Urzustand, nicht von Gott getrennt zu sein. Neugeboren. Mensch sein. Wie ein Neugeborenes. Wir ahnen die Parallelen zu Jesus. Von neuem geboren werden.

Die Brüder hatten Angst, die Brüder dachten daran, dass nun Rache an ihnen genommen wird, Josef Gleiches mit Gleichem vergeltet.

Christlich wäre es, so mutmaßt der jüdische Rabbiner Benno Jacob, das ihm angetane Unrecht ohne weiteres zu vergeben.“ Wir fragen zu Recht: Ist das Vergebung? Dass das Opfer sagt: Ich verzeihe euch! Und  sonst bleiben die Täter, bleibt alles beim Alten.  Das ist doch keine Versöhnung, wenn das Opfer den Tätern verzeihen und damit rechnen muss, dass sich die ganze üble Geschichte wiederholen wird. Würde sich das Opfer dann mit den Untaten versöhnen? Fragezeichen, überall…

Einsicht in die Schuld und Reue auf Seiten der Täter gehören zu jeder echten Versöhnung. Es gibt kein Schema F.

Muss Josef vergeben, sich mit seinen Brüdern versöhnen, gibt es ein 11. Gebot „Du sollst deinen Peinigern vergeben“. Im Vater Unser beten wir „Wie auch wir vergeben, unsern Schuldigern“. In der Bergpredigt: Tut wohl denen, die euch hassen. Bittet für die, die euch beleidigen. Segnet, die euch fluchen.

Du darfst die Dinge neu ordnen. Dichtet Rose Ausländer. Du darfst Farben verteilen, deine Welt im Licht der Versöhnung neugestalten. Deiner Lebensgeschichte einen anderen Anstrich geben. Muss ich vergeben? Verzeihen?

 Frage an einen weltlichen Psychotherapeuten. Du darfst. Aber tu dir keine Gewalt damit an. Verurteile dich nicht. Du kannst. Die Zeit heilt doch manchen Wundschmerz, den zwischen-menschliche Kriege schlagen.

Vergeben ist Weggeben. Loslassen. Frei werden. Auf Rache verzichten. Nicht im ständigen Zurückblicken zur Salzsäule erstarren…. Leichter gesagt als getan.

Josef findet seine Familie wieder. Die Entzweiten sind vereint. Das tut gut. Er sieht seinen alten Vater Jakob. Er wie wir, zugleich Geschöpf und Schöpfer. Gotteskind und Macher. Hin und her geworfen zwischen Tun und Lassen. Vom Himmel, der Kraft des Allmächtigen gestaltet, um selbst zu gestalten, gesegnet um, zum Segen zu werden.

An diesem Tag begibt sich Josef aus dem Schatten seiner Rachegedanken und nutzt die gottgegebene Gabe zu gestalten, etwas neu und besser zu machen.  Wieder ein Morgen ohne die Gespenster. 

Unter dem Zeichen der Versöhnung ist der Brudermord zwar nicht ungeschehen, aber die Arche, die das Überleben sicherte, trägt die Botschaft, dass ein Neuanfang unter Gottes Wirken immer möglich ist.

Jakob befiehlt seinen elf Söhne den zwölften, um Gnade und Vergebung anzuflehen. Er weiß warum.  Sie sollen sich als Diener des Gottes ihres Vaters zu erkennen geben, ja bezeichnen und damit auszeichnen. Josef weint. Er weint die Tränen der Opfer, der Leidtragenden, der Beladenen. Er weint die Tränen tiefster Not und größten Schmerzes. Vergebung und Versöhnung sind eine Zumutung,

ein Weg durch die Nacht ins Licht.  Schwerstarbeit.

Vergebung ist kein frommer Hokuspokus, auf Knopfdruck abrufbar. Vergebung ist ein Geschenk Gottes, ein Wunder, das Gott wirkt, das Gott wollte.  In Jesus Christus. Wenn wir das Wunder der Versöhnung zu einem Müssen an uns selbst richten, ist die Frage: Sind wir dann nicht schon wieder bei unseren Leistungen oder was ist mit der Gnade Gottes? Wir werden einander viel zu verzeihen haben…

Josef antwortet in Mose 50, ganz und gar freimütig und für jeden, der es kann mit einem versöhnlichen Herzen:

„Fürchtet euch nicht.“ Stehe ich denn, an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, und zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten, ein großes Volk. Es geht um mehr.

Wer sind wir denn? Nicht Gott. Aber der, so bekennen wir, hat seinen Sohn für unsere Schuld gegeben. Selbst wenn uns das im Grunde für immer ein Geheimnis sein wird, wir sind versöhnt mit unserem Schöpfer, ist es zu fassen?

So fürchtet euch nun nicht, lesen wir in Vers 21, ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

Was für wunderbare Worte von einem Geschöpf Gottes, das die Liebe und Güte des Allmächtigen am eigenen Leib erfahren hat. Das ist die Quintessenz dessen, dass wir glauben dürfen, dass Gott für uns ist. Später in 2. Mose 14 finden wir einen Satz, der die Geschichte Josefs weiterzuschreiben scheint: Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.

Versöhnung

Leuchtendes Morgenlicht. Ohne Schatten der Vergangenheit.  

Im Tau, wie in den Tränen der Regenbogen. Gottes großes Versprechen.  

Wir dürfen uns freuen über die Vollkommenheit des Lebens. Eintauchen in die Kraft, die alles erschuf.  

Wir werden wiedergefunden, wir werden uns wiederfinden.  Wir sind endgültig Wiedergefundene. Bei Gott.

Wir dürfen Menschen sein. Mit unschuldigen Seelen, an das Gute glaubend, auf Gott hoffend. Immer mit Blick zum Himmel. Ohne Arg.

Da ist so ein Traum, an der Schwelle zum Erwachen, der uns glauben lässt, das Märchen des Lebens werde gut ausgehen.

Und wir - befreit und geheilt leben.

Wir dürfen die Welt verändern, den Frieden an unsere Häuser malen, Hände reichen und Arme öffnen. Lachen und anbeten.

Wir dürfen schön sagen. Mit einem dankbaren Herzen. An diesem Morgen. So ist Versöhnung.  

Amen. 

Wie ein Fest nach langer Trauer 660, 1-3

 

 

 

 

 

Cornelia Elke Schray, Sommer 21